Indian summer? Der „Bairische Summa“ rund um Berchtesgaden muss sich hinter seinem amerikanischen Pendant nicht verstecken.
Es ist wie im Theater. Sobald sich der Vorhang geöffnet hat, beginnt ein farbenfrohes Schauspiel. Im Berchtesgadener Herbst lüftet sich mal früher, mal später am Tag der weiße Nebel, der sich nachts über dem Königssee gebildet und den Talkessel geflutet hat. Ein paar letzte Fetzen liegen noch in den schattigeren Ecken, während die noch immer angenehm warmen Sonnenstrahlen den Talkessel zum Strahlen bringen. Gelb-braune Buchen, gelb-grüne Eschen, knallgelbe Lärchen. Dazwischen zinnoberrote, feuerrote, weinrote, orangerote, scharlachrote und rubinrote Ahornbäume.
Jetzt muss man hinaus in die frische Luft, hinauf auf die Berge. Während die Almen bereits verlassen sind und auf den Berghütten begonnen wird, alles winterfest zu machen, sind noch viele Gipfelbesteigungen möglich. Manche sind gerade jetzt sogar besonders reizvoll. Eine Lieblingstour der Einheimischen um diese Zeit ist der „Rauhe Kopf“. Der Anstieg ist von Beginn an knackig. Es geht durch herrlichen Bergwald, auf dem Waldboden raschelt bereits das Herbstlaub unter der griffigen Profilsohle der Bergschuhe. Kurz vor dem Gipfel wird es felsig und ausgesetzt, eine kurze Seilversicherung und ein paar wenige Klettergriffe braucht es, um endlich ganz oben zu stehen. Nachdem die selbstmitgebrachte Brotzeit ausgepackt ist, schweift der Blick über all die großen und kleinen Berge, die Berchtesgaden einrahmen: Steinernes Meer, Watzmann, Hochkalter, Reiteralm, Schlafende Hexe, fast greifbar der Berchtesgadener Hochthron am Untersberg, Hoher Göll und Hohes Brett.
Jetzt, wo die Tage spürbar kürzer werden, sind die Sonnenstunden und der Duft von trockenem Gras besonders wertvoll. Und eigentlich ist es egal, ob man einen schweißtreibenden Aufstieg hinter sich hat oder einfach nur am Ufer eines kristallklaren Bergsees die glasklare Spiegelung erhabener Gipfel bewundert: Jetzt ist die Zeit, Lebensfreude und Kraft für die kalten und manchmal dunklen Tage zu tanken, die direkt vor der Tür stehen.